Vor allem mit Gustav pflegte der Dichter eine enge Freundschaft. Diesem hatte er seine Einführung in verschiedene Dichterzirkel und die Veröffentlichung einiger seiner Gedichte im Morgenblatt für gebildete Stände zu verdanken. Auch Lenaus Vertrag mit Cotta kam durch Gustav zustande, da dieser mit dem Verleger befreundet war. Bei einem Spaziergang mit seinen Gastgebern lernte Lenau am 22. August schließlich Charlotte Gmelin kennen.
Während anfangs die Freundschaft zwischen ihm und der Nichte der Schwabs eher platonischer Natur war, kam es bei ihrem dritten Zusammentreffen im Hause Gustavs zu einer ersten Annäherung. Aus der anfänglichen Zuneigung des Dichters zu dem Mädchen wurde bald eine starke Liebe, was Sophie mit großem Wohlwollen beobachtete. In der Hoffnung, der Dichter würde in die Familie einheiraten, organisierte sie wiederholte Treffen zwischen den beiden Liebenden. Als Liebesbeziehung konnte die Verbindung zwischen Lenau und Charlotte jedoch nicht bezeichnet werden. An Lenaus aufrichtiger Liebe bestand kein Zweifel, dennoch sah er sich sowohl finanziell, als auch emotional nicht dazu in der Lage, um die Geliebte zu werben.
Lenaus Bindungsängste resultierten wohl vor allem aus der unglücklichen Beziehung mit Berta Hauer, seiner ersten Freundin aus Wien. Ein weiterer Grund dafür, warum er Lotte auf Distanz hielt, war seine geplante Amerikareise. Er strebte auf dem anderen Kontinent eine Professur an und wollte dafür in Würzburg oder Heidelberg schnellstmöglich einen Doktortitel erwerben. Lenau entschied sich letztlich für ein Studium in Heidelberg. Dort angekommen stand der Dichter bereits in regem Briefkontakt zu seinen Freunden. Er schrieb vor allem an die Schwabs, Schurz und Mayer.
In seinen Briefen schilderte er immer wieder, wie schwer ihm der Verzicht auf Charlotte zu schaffen machte, zeigte aber dennoch Entschlossenheit, Lotte weiterhin auf Distanz zu halten. Lenaus Innere Zerrissenheit steigerte sich mit der Zeit immer mehr. So träumte er des Nachts, seine Geliebte würde ihn verlassen und obwohl er meinte, er müsse sterben, ließ er sie doch gehen. Gustav und Sophie Schwab sahen, wie nicht nur Lenau sondern auch Lotte litt, woraufhin sie der Meinung waren, Lenau sollte ihre Nichte nicht mehr sehen, solange er es mit der Werbung um sie nicht ernst meinte. Als der Dichter am 22. Mai 1832 nach Amerika auswanderte, schien er seine Gedanken an einen endgültigen Verzicht auf Lotte überwunden zu haben.
Er hatte vor, ihr seine Liebe zu gestehen, sobald er wieder in Deutschland war. Der Amerikaaufenthalt änderte nichts an Lenaus Zuneigung, doch sah er Charlotte nach seiner Rückkehr im Jahre 1833 nicht mehr wieder. und Naturlyrik widmet, sollte man sich zunächst mit seiner neuartigen Bildersprache befassen.
Der Dichter beschäftigte sich ausgiebig mit den Theorien Hegels, Spinozas und Schellings. Lenau kann fast schon als Eklektiker bezeichnet werden, da er aus dem Studium einzelner Naturtheorien eine innovative und einzigartige Vorstellung von der Beziehung zwischen Mensch und Natur entwickelte. zogen, oder Naturerscheinungen einfach aneinander reihten, bilden bei Lenau Mensch und Natur eine untrennbare Einheit. So entsteht die Vorstellung einer Leidensgenossenschaft, die die subjektive Empfindung des Menschen in den Naturerscheinungen zu objektivem Schmerz werden lässt. Diese besondere Naturmetaphorik findet sich selbstverständlich auch in den Schilfliedern.
Die Natur spielt hier eine zentrale Rolle und hilft dem Dichter seinen Schmerz zu überwinden und den Verzicht auf Lotte erträglicher zu machen. Die Schilflieder umfassen fünf Gedichte, die aber nicht einzeln mit Titeln versehen, sondern lediglich von eins bis fünf durchnummeriert sind. Das zweite Schilflied hebt sich durch seine zweistrophige Form von den übrigen Gedichten des Zyklus ab, welche aus jeweils drei Strophen bestehen.
Die Gemeinsamkeit der fünf Lieder besteht in den vier Versen, die jede ihrer Strophen umfasst. Der Rhythmus der Schilflieder ist durchgehend trochäisch. Während es sich bei Lied vier um dreifüßige Trochäen und ausschließlich männliche Kadenzen handelt, haben die Trochäen in den anderen vier Gedichten vier Hebungen, wobei sich männliche und weibliche Kadenzen abwechseln.
verfasst, wobei Lenau ausschließlich reine Reime verwendet. Aus Rhythmus und Reim ergibt sich, dass der Dichter für seinen Zyklus die Volksliedstrophe gewählt hat, eine Form, die für Lenaus Dichtung typisch ist. Die Frage nach dem lyrischen Ich beantwortet sich vor dem Hintergrund des Lotteerlebnisses eigentlich von selbst. Bei den Schilfliedern ist wohl mit Recht anzunehmen, dass es sich bei dem lyrischen Ich um den Dichter selbst handelt, der hier seine persönlichen Gefühle, Schmerzen und Ängste zum Ausdruck bringt. In den Teich, so still, so tief.
Und ich muß mein Liebstes meiden! Quill, o Thräne, quill hervor! Und im Winde bebt das Rohr. Strahlt des Abendsternes Bild. Der Dichter führt mit diesem ersten Schilflied das Thema des Zyklus ein. Es geht um den Abschied von der Geliebten.
Eine Trennung, die nicht nur vorübergehend, sondern endgültig ist. wird die Position des lyrischen Ich, das sich am diesseitigen Ufer befindet, klar vom Geschehen am jenseitigen Ufer getrennt. In Vers sechs wird die Entfernung des anderen Ufers noch stärker hervorgehoben, indem auf die Tiefe des Wassers hingewiesen wird, das hier als trennendes Element fungiert. Durch die Beschreibung des Sonnenuntergangs in Vers drei wird eine melancholische Stimmung aufgebaut, die das ganze erste Lied hindurch aufrecht erhalten wird. Die Sonne ist hier wohl eine Metapher für die Geliebte. und entschlafen eine Todeskonnotation anhaftet.
Für Lenau ist die Trennung von Charlotte endgültig. Tag weicht nicht nur der Nacht, er stirbt und mit ihm das Licht der Sonne und die Hoffnung. Sah das Ich bisher nach oben, senkt es ab Vers fünf seinen Blick. Hier wird Lenaus Konzept der Leidensgenossenschaft der Natur zum ersten Mal sichtbar. Die Weiden lassen genauso die Köpfe hängen, wie das lyrische Ich selbst.
Momente dieser Objektivierung des subjektiven Schmerzes durch die Natur finden sich im ersten Lied immer wieder. genauso wie der Liebende innerlich bebt. In der zweiten Strophe zeigt sich besonders gut, dass Lenau in den Schilfliedern seinen eigenen Liebesschmerz verarbeitet hat.
Der Schmerz, den das lyrische Ich empfindet, resultiert also aus der starken Liebe, auf die er sich aus finanziellen, karrieretechnischen und vor allem emotionalen Gründen einfach nicht einlassen kann. Durch die melancholische Grundstimmung des ersten Liedes wird die Resignation des lyrischen Ich ausgedrückt, wobei diese in der dritten Strophe für kurze Zeit durchbrochen wird. Mit dem Aufgehen des Abendsternes scheint noch einmal ein Hoffnungsschimmer durch die trüben Gedanken des Liebenden zu brechen. wird als Lichtreflex in ihm sichtbar.
Aus der Realität ist die Geliebte zwar verschwunden, da der Tag unwiederbringlich der Nacht gewichen ist, doch bleibt sie in der Erinnerung noch erhalten. Durch das Bild des Sternes wird eine transzendentale Ebene geöffnet, in der die Liebste noch existent ist. Durch die Tatsache, dass das lyrische Ich jedoch nicht den Abendstern selbst, sondern lediglich sein Abbild im Wasser sieht, wird abermals die große Entfernung zu der Geliebten klargemacht, wodurch fraglich ist, ob das Ich hier tatsächlich so etwas wie Hoffnung empfindet. Teich, wo ist dein Sternenlicht? Tief im aufgewühlten See. Nieder in mein tiefes Weh!
Das zweite Lied ist zugleich das kürzeste im Zyklus. Es umfasst lediglich zwei Strophen. Gerade aber durch seine Kürze gewinnt es an Eindringlichkeit. Das lyrische Ich befindet sich immer noch an derselben Stelle wie im ersten Lied.
Der Sternenhimmel wird nun von Wolken überdeckt und das Bild des Abendsternes ist nicht mehr zu sehen. Die Distanz zur Geliebten ist in diesem zweiten Lied am stärksten spürbar. Die Wolken symbolisieren wohl Lenaus unstetes Leben, der Regen seine Tränen und die Winde seine Unbeständigkeit und Ruhelosigkeit. Durch diese Eigenschaften hat der Dichter Charlotte verloren und zwar endgültig, sollte er sich nicht ändern.
Schon im ersten Lied wird klar, dass das lyrische Ich in enger Verbindung zu dem Teich steht, da dieser das Leiden des Ich teilt. Hier wird nun dieses Seelenband zwischen den beiden noch stärker spürbar. ersetzt, weil letzterer aufgrund seiner Orthographie wesentlich deutlicher die Verbundenheit des Menschen mit der Natur zeigt. Die Verbundenheit der Seele des Ich mit dem See. Durch die Dynamik der Natur in diesem zweiten Lied verschwindet die Melancholie und somit das Gefühl der Resignation. Das lyrische Ich ist verzweifelt und aufgebracht.
Die Hoffnung ist völlig einer pessimistischen Weltsicht gewichen. Mädchen und gedenke dein! In diesem Lied hat sich die aufgewühlte Natur wieder beruhigt, und Lenau beschreibt fast eine Idylle.
wird eine absolut zerbrechlich wirkende Stille erzeugt. Beim Lesen dieses dritten Schilfliedes möchte man fast den Atem anhalten, um die vorherrschende Ruhe nicht zu stören.